21 Juli 2013

Schnee! so viel Schnee!

6. Juli 2013: Rifugio Migliorero - Strepeis 


Zu bequem und zu eilig waren wir, um den ausgewiesenen Panorama-Fotopunkt gegenüber unserer geplanten Tagesroute zu erklimmen für eins der Märchen-Bilderbuch-Fotos vom schottischen Schloss, was ca. eine zusätzliche Wanderstunde erfordert hätte.


Ohnehin lag das Rifugio bei unserem Abmarsch zu viert - gemeinsam mit dem Tiroler Paar machten wir uns nach dem Frühstück auf denselben Weg -  noch im Schatten. Eine Weile lang drückten wir uns - auf Sonne für ein gescheites Foto hoffend - noch in fototauglicher Nähe rum bis wir aufgaben, loswanderten und uns mit Schattenfotos vom Schloss aus der Nähe begnügten. 


Der Hüttenwirt - das Foto leider verwackelt aber die kleine Anekdote um ihn befasst sich ohnehin eher mit den - nicht verwackelten ;-)  Beinen:

Am Vorabend, als ich nach unserer Wanderung im Hüttenvorraum meine Nike Free auszog und ins Regal stellte, sah er mir zu, zeigte auf die Schuhe und fragte irgendwas auf italienisch, das ich  nicht verstand. Bezog es auf die Schuhe und ging spontan davon aus, das er sie vielleicht als für solche Touren unpassend einordnete? Er sagte was von "laufen" und "Trails", soviel hatte ich kapiert aber darin - reflexartig? - einen Tadel vermutet. Suchte also nach passenden Erklärungen auf italienisch, es wurde noch wirrer, ich sah seine Irritation - beide Seiten ließen, es war im Grunde nur ein winziger Satzwechsel mit Mißverständnischarakter - das Thema fallen und gingen zu den üblichen Fragen nach Unterkunft und Essen über.

Ein bisschen verwunderlich war abends, dass er die Gäste regelrecht zu einem frühen Frühstück nötigen wollte. Das waren wir anders und gegenteilig gewohnt auf unseren Touren. Hier in Italien - auch in der Bergwelt - scheint ein Frühstück vor 8:00 Uhr morgens größtenteils auf  Unverständnis und nur zähneknirschende Akzeptanz zu stoßen. Ganz anders beim heutigen Hüttenwirt, der das von uns gegen 8:00 Uhr anvisierte Frühstück gerne auf 7:00 Uhr vorverschoben hätte, was dem Tiroler Paar gar nicht gefiel (uns war alles recht bzw. wurscht) und so wurde sich auf einen 7:30 Uhr Frühstückskompromiss geeinigt.

Für beide "Ungewöhnlichkeiten", das kurze Schuh-Missverständnis am Vortag und das vom Wirt so sehr früh angepeilte Frühstück erfolgte kurz darauf die Erklärung durch Praxis:

just als wir unser erstes noch relativ kleines und überschaubares Schneefeld überqueren wollten, schloss von hinten der Hüttenwirt auf. In Trail-Laufschuhen und Laufklamotten gewandet. Grüßte kurz und zog in fluffigem Laufschritt an uns vorbei, verschwand hinter der nächsten Biegung bergauf und war - ohne Ballast und Gepäck -  mit Sicherheit deutlich vor uns am Pass und darüber hinweggelaufen. Ein Trailrunner also und direkt nach Abräumen des Frühstücksgeschirrs zum Trainingslauf aufgebrochen. Und sein Ansprechen auf meine Schuhe - nachträglich fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren - kein Tadel sondern schlicht die Frage gewesen, ob ich (Trail)läuferin bin.

Im Grunde reizen mich Bergläufe mit vielen Höhenmetern eher nicht. Mir ist das Wandern in der dünnen Luft und bei den sonstigen Bedingungen schon anstrengend genug. Aber diese Übungsbedingungen, die jemand mitbringt, der mehrere Monate des Jahres auf 2.100m lebt und arbeitet, könnten bei mir evtl. auch den Reiz erhöhen. Dagegen kann ein Flachländer vermutlich nur schwer antrainineren.



Schneefelder. Davon gab's an diesem Tag reichlich. Anfangs noch eher klein und nur leicht ansteigend, wurden sie mit zunehmender Höhe steiler und größer.  Fast nie ein vorgetretener Weg zu sehen.


Auch weder zu sehen und meist nur schwer zu erahnen, wo denn der Wanderweg weitergehen mag. Keine Schilder weit und breit, die Markierungen auf Steinen mit Schnee bedeckt. Ja, wohin müssen wir denn nun eigentlich? Immer wieder zögern, überlegen, Karte befragen, nächstes Schneefeld angehen.

Zwar geht es sich - wenn nicht zu viel Steigung drin ist - auf dem festen, trittfreundlichen Schnee weitgehend bequem. Fast bequemer als auf dem streckenweise grisselig-rutschigen Geröll und wackeligen Steinbruch, der alternativ manchmal zu überqueren ist und auch schonmal unter einem wegwackelt und als kleines Steinlawinchen abrutscht.


Wird es aber steiler oder sind einige Passagen des Schneefeldes vereist, dann wird's kniffeliger und mir mulmiger. Automatisch habe ich das Bild der Nassschneelawine wieder vor Augen, wie sie unterwegs Bäume wie Streichhölzer umgemäht und mitgerissen hat. "Was zum Henker hat hier auf nichtmal 2.500 Meter Höhe im Juli überhaupt noch so viel Schnee und Eis zu suchen?!"


Wir tauschen die üblichen Stockverhältnisse um: Volker, sonst mit zwei Trekkingstöcken unterwegs, gibt mir einen seiner beiden und geht - wie sonst ich während der Tour - im Schneefeld nur mit einem davon. Er ist kein bisschen unsicher.Die Rutschigkeit macht ihm auch bei steilen Wegverhältnissen gar nichts aus. Unerschrocken und schwindelfrei - obwohl ebenfalls mit nur Laufschuhen (Saucony)  an den Füßen. Hier kämen uns feste Wanderschuhe mit etwas mehr Profil doch ganz gut zupass.


Mich kosten diese Stunden ein paar Nerven. Ab und zu trete ich auf eine nur dünne Schneedecke und versinke bis zu den Knien durch den Schnee in Gerölllöchern. Puh! Dass Füße und Beine kühl und nass werden, ist das kleinere Problem. Eigentlich ist es gar keins, denn da zeigt sich wieder eine Stärke der Laufschuhe: sie trocknen hinterher flott wieder - was bei Wanderschuhen eher nicht der Fall gewesen wäre.


Der Schnee zeigt Herz - und verschwindet hinter dem Pass auf sonnenbeschienener Abstiegsseite weitgehend wieder.


Und wenn Bergabpassagen über loses Geröll durchaus auch anstrengend zu gehen sind - sind sie mir schneefrei deutlich lieber!


Nur wenig später und wenig tiefer: mit bunten Blumen übersäte Wiesen und Wege


zunehmende Hitze, zunehmende  Zivilisation




 und relativ früh erreicht: das Albergo Strepeis mit komfortablen Zimmern incl. eigener Badewanne, sehr leckerem Essen, wunderbarem Wein und einer guten Atmosphäre. Bevor das Gewitter lostobt, bleibt noch Zeit für einen kleinen Besuch im Nachbarort Bagno di Vinadio, wo es leckeres Eis gibt . 

Den restlichen Nachmittag und auch die Nacht über regnet und gewittert es mächtig vor sich hin. Ich freue mich über den Wlan-Zugang im Hotel, entdecke das App, mit dem sich vom iPad Blogbeiträge ins Netz stellen lassen, genieße den Luxus, so auch ein bisschen mal wieder "nach Hause schnuppern" zu können von unterwegs. 






Tagesstatistik:

Wanderzeit: 8:40 - 13:45 Uhr 

Höhenmeter:   ca. 400 ↑  1220↓
Distanz:  ca. 11  km
Höchster Punkt: 2.471 m   (Passo di Laroussa)

2 Kommentare:

Trudy hat gesagt…

Welch schöne Blumenpracht!

lizzy hat gesagt…

Trudy, das ist da wirklich der Hammer! Das Tiroler Paar, das ja nun auch in den Bergen bzw. direkt dabei wohnt, meinte auch, so eine Fülle noch nie im Leben vorher gesehen zu haben. Absolut aussergewöhnlich und in dieser Hinsicht war es ein Vorteil, dass die Vegetation um Wochen zurück war: wir hatten nochmal wieder völlig andere Blütenmeere unterwegs.